Das verlängerte Wohnzimmer der Jugendlichen: die Hobrecht 83

Heute blicken wir hinter die Kulissen des Jugendstadtteilladens in der Hobrechtstraße 83. Was sind das für Jugendliche, die hier hingehen? Und was treiben sie hier?

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Foto: Birgit Leiß

Foto: outreach

In einer gewöhnlichen Wohnstraße, im Erdgeschoss eines ganz normalen Mietshauses befindet sich seit zehn Jahren der Jugendstadtteilladen Hobrecht 83. Ein großer, gemütlich eingerichteter Raum mit Couch, Tischtennisplatte und Fernseher, dahinter ein kleines Büro mit Computern. Weil sich derzeit wegen Corona nur fünf Personen drinnen aufhalten dürfen, sitzen die Jugendlichen meist auf Campingstühlen vor dem Laden. Da geht es dann schon ziemlich laut zu. „Zum Glück haben wir eine verständnisvolle Nachbarschaft, außerdem haben wir die Öffnungszeit auf 19 Uhr reduziert“, erklären Gerhard „Gerri“ Wahl und Nihat „Nio“ Karatoprak, die beiden Sozialarbeiter von Outreach.  

Aggressive Jungs von der Straße holen

Im September 2010 wurde die Eröffnung gefeiert. Damals wollte man für Jugendliche ab 14 Jahren, die zu alt sind für das „Blueberry“ oben in der Reuterstraße, einen Raum schaffen. Doch einfach aufmachen und dann warten, bis die Jugendlichen kommen – so läuft das nicht. Dreimal die Woche ist der Laden geöffnet, ansonsten sind Gerri und Nio als Streetworker im Kiez unterwegs. Sie sprechen Gruppen an, die „Bambule“ machen und versuchen, sie in den Jugendstadtteilladen zu integrieren. „Es ist nicht so, dass die Hurra schreien, wenn ein Sozialarbeiter auftaucht“, erklärt Nio.  Es dauert lange, ein Vertrauensverhältnis zu den Jugendlichen aufzubauen. „Bei einem Teil der Gruppe, die sich seit einiger Zeit  in der Isarstraße, vor der Kindl-Treppe, trifft, ist uns das gelungen“, berichtet Gerri.

Eine Familie, in der sich alle an Regeln gelten

In der Hobrecht 83 können die  – fast ausschließlich männlichen – Jugendlichen abhängen, ihre Freunde treffen oder im Internet surfen. „Uns ist es wichtig, eine familiäre Atmosphäre zu schaffen“, sagen die beiden Outreach-Mitarbeiter. Dazu gehört auch, den Laden sauber zu halten, was immer wieder aufs Neue diskutiert werden muss. Kein Alkohol, keine Drogen und keine Gewalt – an diese Regeln müssen sich alle halten. Gerris und Nios  Job ist es, die Jungs dabei zu unterstützen, Perspektiven für ihr Leben zu entwickeln. Ganz konkret heißt das beispielsweise Bewerbungstraining,  Jobcoaching oder Begleitung zu Gerichtsverhandlungen. Die meisten kommen aus schwierigen Familienverhältnissen und viele haben Brüder oder Väter, die kriminelle Karrieren eingeschlagen haben. Zu Hause erleben sie, dass Konflikte mit Gewalt gelöst werden. Dem wollen Gerri und Nio etwas entgegensetzen. „Der wichtigste Teil unserer Arbeit ist im Grunde quatschen“, sagt Gerri. „Wir reden mit ihnen über ihre Berufswünsche und machen ihnen Mut, ihren eigenen Weg zu gehen.“ Wichtig sind auch positive Vorbilder, daher werden von Zeit zu Zeit ehemalige Straßengangster eingeladen, die es zum erfolgreichen Buchautor oder Sportler geschafft haben. Die Botschaft: ein legales, angstfreies Leben lohnt sich.

Trotz Erfolge große Sorge um die Zukunft

Erfolgsgeschichten wie die von Stammbesuchern, die inzwischen studieren oder eine Ausbildung zum Polizisten machen, zeigen, dass die Arbeit Früchte trägt. Kopfzerbrechen bereitet den beiden Sozialarbeitern derzeit, wie es in der kalten Jahreszeit mit den Corona-Regeln weitergehen soll. Noch größer ist jedoch die Sorge um die Weiterfinanzierung. Der Jugendstadtteilladen wurde einst mit Mitteln des Quartiersmanagements aufgebaut und 2019 in die Regelfinanzierung übernommen. Nun muss der Bezirk im Jugendbereich Geld einsparen. Bleibt zu hoffen, dass es nicht ausgerechnet die Hobrecht 83 trifft.