Im Käseglück
Geröstete Note von Chicorée? Steinpilzaroma? Die blumigen Beschreibungen der Käsesorten erinnern an die Weinsprache und zeigen: hier nimmt jemand sein Produkt ernst. „Ich habe schon immer gern Käse gegessen, im Vorarlberg wächst man mit gutem Käse auf“, erklärt Georg Weishäupl. 2008 hatte der Landbub aus Österreich das Peppi Guggenheim in der Weichselstraße 7 eröffnet, eine Mischung zwischen Bar und Kulturraum. „Kunst, Kneipe und Käse ergänzen sich ideal“, findet Georg Weishäupl und so begann er schon bald, auf Märkten in ganz Berlin Käse zu verkaufen. In Wien, wo er zuvor 18 Jahre lang lebte, hatte er bereits zusammen mit einem Freund einem Internetvertrieb für nicht standardisierten Käse von kleinen Erzeugern aus dem Alpenraum aufgebaut. Nun wollte er auch die deutsche Hauptstadt mit bestem Rohmilchkäse jenseits der Massenproduktion beglücken. Als er dann auch auf den Schillermarkt wollte, erklärten ihn viele für verrückt. Neukölln, das sei doch kein Pflaster für hochwertige, nicht ganz billige Lebensmittel. Noch heute ist der Schillermarkt sein Lieblingsmarkt und auch die Eröffnung des Ladens 2012 in der Weichselstraße hat er nie bereut. „Rohmilchkäse rockt“ lautet der Werbeslogan.
Tierwohl und Handwerkskunst sind wichtiger als Bio
Die Theke im Verkaufsraum ist ein Eldorado für Feinschmecker. Am besten geht Bergkäse. „Viele gibt es exklusiv nur hier“, erklärt Georg Weishäupl stolz. Etwa die in Fichtenrinde gelagerte „Hölzige Geiss“ oder der Käse, der täglich mit reinem Quellwasser aus der Aare geschmiert worden ist. Eine Rarität und sehr beliebt bei der Kundschaft ist der „Blaue Hirni“. Er sieht aus wie ein menschliches Hirn und entstand aus Versehen, nämlich als Frischkäsebällchen mit Blauschimmel kontaminiert wurden. Natürlich darf auch ein klassischer Bergkäse nicht fehlen. Die meisten Sorten kommen aus Österreich oder der Schweiz und fast alle sind Rohmilchkäse. „Die schmecken einfach besser als pasteurisierte“, weiß Georg Weishäupl. Aber weil viele Schwangere ihn meiden, sucht er nach Alternativen. Georg Weishäupl kennt fast alle Höfe, wo sein Käse herkommt, persönlich. Er weiß, dass es die Tiere dort gut haben und dass sie nur mit Frischgras und Heu gefüttert werden. Ein Bio-Zertifikat ist ihm dagegen nicht so wichtig. Es gebe auch Bio-Käse, der wie Gummi schmeckt: „Das Allerwichtigste ist der Geschmack und dabei kann wenig geschwindelt werden. Wenn's der Kuh gut geht, gibt sie gute Milch und nur daraus kann man guten Käse machen – so einfach ist das.“
Käse, der süchtig macht
Seine Kundschaft hat Georg Weishäupl im Laufe der Jahre „angefixt“, wie er schmunzelnd erzählt. „Manche kaufen beim ersten Mal ein kleines Stück und kommen nach ein paar Tagen wieder und beschweren sich, sie könnten nun keinen anderen mehr essen.“ Generell seien die Leute in Neukölln sehr neugierig und aufgeschlossen. In dem kleinen Laden gibt es auch Zubehör zu kaufen, etwa Reiben und Fonduesets, außerdem alles was zum Käse passt von Wein über Chutneys bis hin zum Senf. 2020 hat er den Laden nebenan, ebenfalls in der Hausnummer 65, dazugemietet. „Salon Renate“steht noch über der Tür, denn hier war mal ein Friseur, dann ein kleines Café und Underground-Club. Heute ist es der Verkaufsraum. Die ursprüngliche Idee, hier Käseverkostungen mit Musikbegleitung anzubieten, musste wegen Corona zurückgestellt werden. Nun dient der ehemalige Laden als Lager, hier stapeln sich in der kühlen „Schatzkammer“ die riesigen Laibe.
Gut fürs Geschäft, schlecht für den Kiez
Mit der fortschreitenden Gentrifizierung hat auch Georg Weishäupl seine Erfahrungen gemacht. Als er 2008 nach Berlin zog, sei Neukölln im Vergleich zu Wien ein Paradies gewesen. „Ich konnte kaum glauben, wie leicht man hier eine Wohnung bekommt und wie wenig man dafür zahlen muss.“ Doch dann wurde die Straße von Investoren entdeckt und Peppikäse musste wegen einer Mieterhöhung auf die andere Straßenseite ziehen. Man merke schon dass immer mehr Leute in den Kiez kommen, die sich die „absurd hohen Mieten“ leisten können und die nicht nach dem Preis schauen. „Das ist gut fürs Geschäft und ich hab auch nichts dagegen, mit den Kunden englisch zu sprechen, aber der Kiez sollte nicht abheben“, findet der Inhaber von Peppikäse: „Ich jedenfalls will mit meinem Laden nicht Teil dieses Treibens sein.“