Neukölln aus den Augen eines Geflüchteten
Wie schon im Vorjahr lud das QM-Team die Mitglieder des Quartiersrates sowie andere Ehrenamtlichen zu einer kleinen Neukölln-Tour und einem gemeinsamen Essen ein. Auch Interessierte aus der Nachbarschaft waren willkommen. Treffpunkt an diesem verregneten Nachmittag war das Maybachufer. Dort schilderte Tourguide Abuhanna Muosa vom Verein querstadtein e. V. zunächst die politischen Verhältnisse in seinem Heimatland Syrien, die 2015 zu seiner Flucht nach Deutschland führten. Wie so viele andere kam er über die gefährliche und anstrengende Balkan-Route, mit dem Boot von der Türkei nach Griechenland und dann weiter zu Fuß oder mit dem Zug. „Es ist schon etwas anderes, wenn man solche Berichte von jemandem hört, der es selbst erlebt hat“, meinte eine Teilnehmerin. Genau das ist das Anliegen von querstadtein e.V. Die Stadtführungen werden von Menschen durchgeführt, über die sonst nur geredet wird, Obdachlose beispielsweise oder eben Geflüchtete.
Wohnen und Arbeiten in Gemeinschaft
Die erste Station war das Refugio in der Lenaustraße 4, ein Projekt der Berliner Stadtmission, wo Einheimische und Menschen mit Fluchterfahrung zusammen wohnen. „Für mich war es eine Riesen-Chance, hier leben zu können“, erklärte Abuhanna. Als er in Berlin ankam - in jenem turbulenten Sommer 2015 mit seinen überfüllten Aufnahmeeinrichtungen – kam er über einen Bekannten übergangsweise im einem Notzimmer des gerade neu eröffneten Hauses unter. Weil er sich dort sehr wohl fühlte und auch ehrenamtlich im Refugio Café arbeitete, konnte er schließlich in eines der Zimmer im Haus einziehen. Durch das gemeinsame Kochen in der Gemeinschaftsküche, durch die Arbeit im Café und durch seine deutschen Nachbar:innen, die ihm bei den Vorbereitungen zur Prüfung halfen, hat er recht schnell Deutsch gelernt. Bei der Führung zeigte der junge Syrer der Gruppe das Erdgeschoss, wo es neben dem Café einen großen Veranstaltungsraum gibt. Hier finden Konzerte und Sprachcafés statt, außerdem trifft sich hier der Refugio Chor. In der Lenaustraße gibt es noch viele weitere Initiativen, wo sich die Bewohner:innen einbringen können, von den Künstlerateliers über die Open Music School bis hin zum Verein querstadtein e. V., der hier ebenfalls seine Räumlichkeiten hat. Das Motto ist: give something back to Berlin. Und genau das will Abuhanna: der Stadt und den Menschen, die ihn aufgenommen haben, etwas zurückgeben. Daher engagiert er sich ehrenamtlich für den Verein, auch wenn er schon vor einigen Jahren in eine eigene Wohnung nach Mitte gezogen ist.
Integration gelungen, nur der deutsche Pass fehlt
Vom Reuterkiez aus marschierte die Gruppe unter Regenschirmen den Kottbusser Damm entlang, um dann in die Sonnenallee einzubiegen – bekanntlich auch „arabische Straße“ genannt. An der Pannier-/Ecke Donaustraße schilderte Abuhanna die bürokratischen Hürden bei seinem Antrag auf die deutsche Staatsbürgerschaft. Job in der Gastronomie, nebenbei Ausbildung zum Ernährungsberater, gute Deutschkenntnisse - eigentlich ist der junge Mann ein Musterbeispiel in Sachen Integration. „Ich würde gern vorübergehend meine Stunden reduzieren, um mich auf meine Ausbildung zu konzentrieren, aber dann verliere ich meinen Anspruch“, erklärte er eine der vielen Schwierigkeiten.
Der Abend fand dann seinen Abschluss bei modernem arabischen Essen bei OS’Kitchen in der Anzengruberstraße.
Webredaktion